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• Wahr oder falsch — und die Antinomien
• Die fallacy of composition — erklärt
• Trugschlüsse in der Ökonomie
• Gesamtwirtschaftliches Sparen für später?
Wahr oder falsch — und die Antinomien
Die wissenschaftliche Logik handelt von formal wahren oder falschen Grundaussagen sowie Verknüpfungsregeln. Formal heißt: ohne die innere Bedeutung für den Menschen.
Probleme bereiteten die Antinomien.
Beispiel: Ein Kreter sagt aus, alle Kreter seien Lügner.
Was ist daraus abzuleiten?
„Im deutschen Sprachraum ist es … weitgehend üblich,
den Ausdruck ‚Antinomie’ für solche Widersprüche zu reservieren,
die im Rahmen eines formalen Systems streng beweisbar sind und somit auf
einen Fehler bei der Konzeption der
Schlussregeln oder der Axiome dieses Systems hinweisen”[1].
Aussagen von Mitgliedern einer Menge über diese Menge selbst gelten nun
als „logisch nicht erlaubt”.
Die konventionelle, mikro-fundierte Makro-Ökonomik ist voller solcher logischer Fehler.
Die allgegenwärtige fallacy of composition — erklärt
Häufigster Trugschluss ist die fallacy of composition (Trugschluss der Verallgemeinerung, falsches Folgern vom Teil auf das Ganze, unzulässiges Summieren aus den Teilen) — „nicht jeder kann überdurchschnittlich sein”.
Das Spiel „Die Reise nach Jerusalem” demonstriert das: Vier Spieler umkreisen mit Musik drei Stühle (allgemein n+1 Spieler um n Stühle). Bricht die Musik ab, soll jeder Spieler einen freien Stuhl besetzen. Offensichtlich bleibt dabei immer Einer stehen: Der Verlierer.
Oskar Fuhlrott ©
In der Praxis fällt auf, dass Einige häufiger Verlierer sind und Andere selten oder gar nicht. Nun wollen wir einem häufigen Verlierer dazu verhelfen, selten zu verlieren. Wir bringen ihm bei, schon beim Umkreisen den nächsten Stuhl auszuwählen und im Blick zu behalten, trainieren seine Reaktionsgeschwindigkeit und das Eilen und Setzen auf den Stuhl. Wahrscheinlich wird er so nur noch selten Verlierer: Er hat seine Chancen deutlich verbessert.
Jetzt wollen wir alle Spieler so trainieren in der (naïven) Hoffnung, dass es keine Verlierer mehr geben wird. Was ist das Ergebnis? Makro-Betrachtung: Es ist immer noch ein Stuhl zu wenig. Die Verbesserung der Fähigkeiten der Einzelnen ändert insgesamt nichts.
Schlussfolgerung: Nicht alles, was bei einzelnen Teilen wirkt, wirkt so auch beim Ganzen. Was dem Gewinn der einzelnen Firma nützt (z.B. Effizienz, Produktivitätssteigerung, Monopolverhalten) oder dem einzelnen Arbeitnehmer schadet (z.B. Ausbeutung), nützt nicht auch dem Gesamtgewinn oder schadet nicht auch der Gesamt-Arbeitnehmerschaft. Das macht die Makro-Ökonomie so wenig intuitiv, aber auch so interessant und wichtig.
Generell versagt das Zusammenrechnen von unten nach oben, wenn es eine Gegenkraft gibt, die das Gesamte (z.B. den Gesamtgewinn) auf eine bestimmte Größe drückt oder hebt. Und beim Gesamtgewinn ist dies das Verschulden anderer Sektoren (in der Reinen Konsumwirtschaft also das der Privathaushalte).
Wenn es, wie gezeigt wurde, für den Gesamtgewinn gesamtwirtschaftlich eine Obergrenze gibt, die gleichzeitig gesamtwirtschaftlich die Untergrenze ist, können alle die Faktoren, die einzelwirtschaftlich als Gewinnursachen genannt werden, nur auf den relativen Gewinn wirken, also die unterschiedliche Verteilung des Gewinns auf die einzelnen Firmen.
Zwei weitere fallacies sind hier von Bedeutung. Kakarot-Handtkes Beispiel einer Fallacy of Insufficient Abstraction sieht er im „Sich-Verfangen in den vielen äußeren Formen von Geld. Der abstrakte Kern des Phänomens ist: Geld = Information. Es gibt keine Mehrdeutigkeit von Geld. Geld besteht in Einlagen bei der Zentralbank. Einlagen bei Geschäftsbanken sind beinahe Geld, aber nicht Geld. Und alle anderen historischen Formen müssen als Ersatz/Substitut/Prototyp des Realen angesehen werden.”[2]
Das Argumentum ad dictionarium „besteht darin, auf die Definitionen aus einem Lexikon zu verweisen, um seine Behauptungen zu unterstützen.”[3] Egmont Kakarot-Handtke bezeichnet einen Verstoß dagegen als “Humpty Dumpty fallacy”[4] nach dem Zitat aus Lewis Carolls “Through the Looking-Glass”: “‘When I use a word,’ Humpty Dumpty said in rather a scornful tone, ‘it means just what I choose it to mean — neither more nor less.’ Kakarot-Handtke: ”Die Freiheit oder Beliebigkeit der Definition ist eine methodologische Illusion. Sie trifft nur auf die Erstdefinition zu. Danach muss man sicherstellen, dass jede neue Definition konsistent ist mit den vorherigen.”[4, übersetzt]
Und dann gibt's da noch das Argumentum ad hominem, das sich gleich disqualifiziert [5, übersetzt]: „… der Trugschluss zu denken, dass dadurch, dass der Argumentierer [persönlich] angegriffen wird, auch sein/ihr Argument in Frage gestellt sei”.
Trugschlüsse in der Ökonomie
In der Ökonomie wimmelt es nur so von solchen Trugschlüssen. Der gesamte Ansatz der Mikrofundierung beruht darauf. Sie geht davon aus, man müsse nur die Verhältnisse aus einer Firma oder einem Markt auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Das könnte aber nur Erfolg haben, wenn sich alle Eigenschaften der Gesamtwirtschaft aus den Eigenschaften der Firmen oder Märkte ergeben. Aufgrund der Rückwirkung von z.B. gesamtwirtschaftlichen Ausgaben auf die Einnahmen kann das aber nicht der Fall sein.
Auch weitere bekannte Trugschlüsse beruhen auf nur einzelwirtschaftlichem Verständnis:
• „Anhebung des Lohnsatzes erhöht den verfügbaren Lohn.”
– Nein: da das Preisniveau mitsteigt, bleibt der Reallohn gleich.
Und ein Mindestlohn erhöht nicht den Gesamtlohn oder den Durchschnittslohn,
sondern verengt den „Lohnkorridor” von beiden Seiten her.
• „Ein Aufschlag auf den Preis erhöht den Gewinn.”
– Nein: da die Kaufkraft begrenzt ist auf die Lohnsumme, wird weniger
gekauft, und der Rest wandert auf das Lager oder den Müll.
Der Gesamtgewinn bleibt davon unberührt.
• „Ausbeutung erhöht den Gewinn.”
– Nein: Ausbeutung ist ein einzelwirtschaftliches
Phänomen mit Auswirkung auf die Konkurrenzsituation in ihrem Markt,
aber ohne Einfluss auf den Gesamtgewinn.
• „Monopole und Oligopole verschaffen sich Extragewinne.”
– z.T. ja: innerhalb ihrer Märkte. Den Gesamtgewinn des
Firmensektors können sie nicht erhöhen.
• Gewinn für die Ökonomie als Ganzer hängt weder ab von den Arbeitsstunden,
noch dem Stundenlohn oder der Produktivität.
Und so gibt es viele Effekte, die zwar die Bilanz einzelner Firmen verbessern oder auf einzelnen Märkten für eine Verschiebung der Gewinne (nämlich der relativen Gewinne) sorgen können, aber keinen Einfluss auf den Gesamtgewinn des Firmensektors haben.
Egmont Kakarot-Handtke stimmt daher dem Geldtheoretiker William Mitchell zu, „… dass die Mainstream-Ökonomik eine einzige große Fallacy of Composition ist.” [6, übersetzt]
Übrigens beruht auch die Ansicht, ein guter Geschäftsmann müsse ein guter Politiker oder wenigstens Wirtschaftspolitiker werden, auf einem Trugschluss.
Gesamtwirtschaftliches Sparen für später?
In der frühen Bundesrepublik Deutschland hat es eine politische Entscheidung gegeben, die viele Bürger bis heute für vorbildlich halten. Der damalige Finanzminister Fritz Schäffer ließ bis 1957 über sieben Milliarden Mark „zusammensparen” (wie er jedenfalls meinte), um den geplanten Aufbau der Bundeswehr zu finanzieren, wie er dachte.
Prof. Fritz Baade[7]: „Das Märchen ist der Glaube, dass wir heute überschüssige Steuergelder horten könnten.” „Die wissenschaftlichen Beiräte … haben unzweideutig festgestellt, dass ‚die Politik der staatlichen Fondsbildung einzelwirtschaftlichem Denken entspringt’. ‚Eine finanzielle Vorsorge für die Zukunft gibt es, volkswirtschaftlich gesehen, überhaupt nicht’” „Wenn er es aber statt dessen der Bank deutscher Länder als zinsloses Darlehen zum Aufheben gibt oder — was auf dasselbe hinausläuft — Ausgleichfsorderungen ankauft, so tut er, volkswirtschaftlich gesehen, etwas ganz Schreckliches. Er vernichtet das schöne Geld, das er durch allzu wirksame Finanzpolitik dem Steuerzahler abgenommen hat.”
Mackenroths Gesetz [Prof. Mackenroth: 8, S. 41] besagt: „Nun gilt der einfache und klare Satz, dass aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden muss.” Es erklärt, dass Renten nicht erspart werden können, sondern nur aus einem verbindlichen Anspruch an die spätere Generation oder andere Schuldner zu erhalten sind. „Das Versicherungsprinzip ist geeignet, den einzelnen zu sichern gegen die Abweichung seines Falles von der Norm, es kann aber nicht die Volkswirtschaft sichern gegen eine Änderung der sozialen Norm, gegen eine soziale Katastrophe”. [8, S. 42]
Grundsatz: Vorsorgen gelingt volkswirtschaftlich nicht durch Sparen und Geldhorten, sondern nur über Schuldverhältnisse — entweder eine Kette von Schuldnern bei der Kapitaldeckung oder „Schulden” per „Generationenvertrag” beim Umlageverfahren.
Lässt sich das Mackenrothsche Gesetz umgehen? Zwar ist das Sparen von Geldvermögen insgesamt volkswirtschaftlich unmöglich, aber Sachvermögen lässt sich anhäufen. Man könnte so alle im Alter gebrauchten Lebensmittel in Konserven horten, wenn man soviel Platz zum Lagern hat. Was aber ist mit den benötigten Dienstleistungen? Nach Prof. Rürup gab es noch einen Trick: Man verleihe Kapital an Länder, die kapitalarm sind, eine besonders junge Durchschnittsbevölkerung haben und auf dem Sprung von Schwellenländern in die Industrialisierung sind, um aus deren Rendite unsere alternde Bevölkerung zu versorgen. Der Trick hat nicht funktioniert. Nach Südkorea und einigen südost-asiatischen Ländern gab es keine solchen „Tiger-Staaten” mehr und wird es wohl auch nicht mehr geben.
Beispiel Rentenanpassungsformel [9 und →Renten-„Mechanik”]:
„Der Riester-Faktor … hat die Rentenanpassungen … in den zurückliegenden Jahren um mehr als fünf Prozentpunkte reduziert. Diese bereits realisierten Anpassungskürzungen werden fortwirken. Denn sie sind in den aktuellen Rentenwert eingeflossen, so dass der Ausgangswert für zukünftige Rentenanpassungen dauerhaft gemindert ist. Um dieses Fortwirken auszuschließen, müssten die nicht gerechtfertigten Anpassungskürzungen infolge des Riester-Faktors schrittweise wieder zurückgenommen werden .” [16]
Konnte denn die Teilprivatiserung der Renten das Altern der Bevölkerung vorwegnehmen und ausgleichen? Was hat sie konkret gebracht? — Das Gleiche wie oben bei Fritz Schäffer: Die Vernichtung von Geldvermögen — durch Streichung von Ansprüchen aller gesetzlich Versicherten (Rentner und Beitragszahler), sowie Zusatzaufwendungen der Beitragszahler.
Ähnlich irrten der Präsident der Rentenversicherung, Axel Reimann, und Annelie Buntenbach vom DGB-Vorstand, als sie den Aufbau einer durch vorgezogene Beitragserhöhung finanzierten „Demografiereserve” forderten [17]. Das hätte die Beitragszahler ärmer gemacht, ohne den Rentnern zu nützen.
Oskar Fuhlrott,