Woher kommen die Gewinne der Firmen?

Frühere Erklärungsansätze — und Mythen

Für Betriebswirte scheint die Antwort für die Firma ganz einfach:

Gewinn = Erträge - Aufwendungen.

Aber hochgerechnet auf die Gesamtheit der Firmen ergibt sich eine Erklärungslücke.

Auch für Karl Marx (Band 1 „Das Kapital”) schien es klar. Zum Vergleich der Einkommens­quellen beginnt er mit Aufteilung in die Segmente (die „Klassen”) Kapitalisten und Arbeiter.

Kapitalisten
Eigentümer von Kapital,   Arbeitgeber.
Stellen Arbeiter ein und bezahlen den Arbeitswert.
Geben den Mehrwert für Investitionen oder Konsum aus.
Arbeiter
Besitzlose Anbieter von Lohnarbeit,   Arbeitnehmer.
Nehmen jedes Lohnangebot oberhalb der Subsistenz an.
Geben ihr volles Einkommen für Konsum aus.

In seiner von Smith und Ricardo inspirierten Arbeitswerttheorie glaubte Marx, mit der kapi­talistischen Ausbeutung der Arbeiter nicht nur deren Verelendung erklären zu können.

Aufgrund des Wettbewerbs zwischen den Arbeitern könne der Kapitalist die Löhne so weit drücken, bis sie gerade zum Leben reichen (Wert der Arbeit). Gleichzeitig könne der Kapitalist das Produzierte aber zu einem höheren Wert verkaufen oder tauschen (Waren- oder Tauschwert). Die Differenz ist der „Mehrwert”, den der Kapitalist für sich einstreicht.

Mehrwert für den Kapitalisten = geschaffener Warenwert - Wert der Arbeit.

Da die Arbeiter nur ausgeben können, was sie verdienen, sinkt in der Zirkulation mit den sinkenden Verkäufen trotz des Mehrwerts fortlaufend auch das Einkommen der Kapitalisten, und die Zirkulation bricht zusammen.

Karl Marx später, mit Friedrich Engels, zur Aufrechterhaltung der Zirkulation:

Damit die Kapitalisten weiter verdienen können, muss ihr eigener Konsum erst die Lücke füllen.

Kapitalisten-Einkommen = Kapitalisten-Mehrwert + Konsum der Kapitalisten.

Eine weitere Verarmung der Arbeitnehmer ist heute aber nicht mehr feststellbar, und Marx' Thesen lösen auch nicht das Rätsel um den Gesamtgewinn des Firmensektors.

Die Austrianer (die österreichische Schule, ebenfalls heterodox genannt) können mit ihrer Betonung des individuellen Unternehmers keinen Beitrag zur Makro-Ökonomie leisten.

Die Gewinnhypothesen der Neoklassiker/Neoliberalen beruhen auf der Grenznutzenlehre — mit nicht messbaren Vermutungen — und sind makro-ökonomisch nicht anwendbar.

John Maynard Keynes hatte für seine “General Theory” ein Kapitel über die Quellen des Gewinns geplant. Das Ziel musste er aufgeben. Aber es gab auch unter Keynesianern teils abenteuerliche Versuche: In seinem Wachstumsbuch präsentiert H. C. Binswanger ein Modell seines Doktoranden, in dem Wachstum und Gesamtgewinn verknüpft werden.

Aber der Gesamtgewinn des Firmensektors lässt sich eben nicht aus den Sphären von Produktion oder Vertrieb erklären, sondern nur aus dem relativen Forderungszuwachs.


Rodion Ebbighausen: Karriere einer Idee”. Deutsche Welle 14.3.2013.

Ulrike Herrmann: ‚Das Kapital’ und seine Bedeutung”. bpb: Aus Politik und Zeitgeschehen, 5.5.2017.

WikipediA: Arbeitswerttheorie”. Abgerufen am 6.12.2023.

Christoph Binswanger: Die Wachstumsspirale”. metropolis Verlag, Januar 2013.


  2023, Oskar Fuhlrott, abgerufen am