Browser?

Beschäftigung und Arbeitslosigkeit

Was bestimmt die Nachfrage nach Arbeitsleistung?

Welchen Einfluss haben Höhe und Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes?

Wie wirkt der Mindestlohn auf die Beschäftigung?

Was bestimmt die Nachfrage nach Arbeitsleistung?

Egmont Kakarot-Handtke[1] definiert einige Quoten als externe Bestimmungs­größen: Die Konsumausgabenquote ≡ Konsum / Gesamteinkommen, die Verkaufsquote ≡ Verkauftes / Produziertes, die Ausschüttungsquote ≡ ausgeschüttete Gewinne / Lohneinkommen (problematisch, weil die ausge­schütteten Gewinne null sein können und ich kein logisches Motiv für einen Bezug zwischen Ausschüttung und Lohneinkommen sehe) und die sogenannte Faktorkostenquote ≡ Lohnsatz / (Produktivität mal Preisniveau), welche den Preismechanismus festlegt. Dann gilt: Ein Gesamtgewinn tritt ein, d.h. das Ver­hältnis von Gesamtgewinn zu Lohneinkommen „ist positiv, wenn die Konsum­ausgabenquote größer als 1 ist oder die Ausschüttungsquote größer als 0 ist, oder beides. Weder z.B. der Kapitalbestand noch der Monopo­lisierungs­grad spie­len irgendeine Rolle.”

Kakarot-Handtke verbindet in [2, übersetzt] „das systemische Zusammenspiel von Produkt- und Arbeitsmarkt.” Schon Keynes „war ganz klar, dass die ortho­doxe Beschäftigungstheorie defekt war. Jedoch hatte er nur teilweise Erfolg: seine Beschäftigungstheorie war auch nicht allgemeingültig, und es fehlte ein entscheidender Faktor.” Keynes' Punkte: „Steigerungen der Investitionen haben einen positiven Einfluss auf die Beschäftigung” und „eine Steigerung der Kon­sumausgabenquote führt zu höherer Beschäftigung” (Keynes' Beschäfti­gungs­multiplikator). Darüber hinaus führt „eine Steigerung der Faktorkostenquote zu höherer Beschäftigung. Dies erklärt die Phillipskurve.” (erweiterter Beschäfti­gungsmultiplikator) und „aus einem Preisanstieg leitet sich eine verminderte Be­schäftigung ab. Dies erklärt die Stagflation.”.

Egmont Kakarot-Handtke präsentiert in [3, übersetzt] ein vereinfachtes Be­schäftigungsgesetz (ohne Gewinnausschüttung, Staatsdefizit und Außenhan­delsbilanz). Dass die Beschäftigung steigt, wenn der Durchschnitts­lohn­satz relativ zu Preis­niveau und Produktivität steigt, ist der Schlüssel zur Lö­sung des Be­schäfti­gungs­problems. Außerdem etabliert das Beschäftigungs­gesetz eine explizite formale Verbindung zwischen Kredit-Expansion/Kontrak­tion und Be­schäftigung über die Ausgabenquote. Das Beschäftigungsgesetz bestätigt und bekräftigt also die von Keen gefundenen empirischen Korrela­tionen.

Kakarot-Handtke[1, übersetzt]: „… die Beschäftigungshöhe hängt ab von der Konsumausgabenquote und der Faktorkostenquote. Daraus folgen zwei Typen von Arbeitslosigkeit, die unterschiedliche Reaktionen erfordern.”

Welchen Einfluss hat das Arbeitslosengeld?

a) Mikroökonomische Analyse

Hat Hartz IV dazu beigetragen, die Arbeitslosigkeit in Deutschland zu senken? Ein typischer mikrofundierter Ansatz ist der von Tom Krebs[5; im Folgenden viele Aussagen daraus (nur zum Teil wörtlich, sonst sinngemäß)]:

Um 2002 war meistens die Diagnose: Der deutsche Arbeitsmarkt ist nicht fle­xibel genug. Die Hartz IV-Reform sollte die „Krankheit” strukturelle Arbeits­losigkeit heilen. Die Reform hat die (Netto-)Lohnersatzleistung für Langzeit­arbeitslose binnen eines Jahres von 57% auf 46% reduziert — eine Senkung um 11 Prozent­punkte. Der Konsens in der Arbeitsmarktforschung war und ist immer noch, dass eine Absenkung des Arbeitslosengelds aufgrund veränder­ten Such­ver­haltens der Arbeitslosen die Arbeitslosigkeit senken kann (auf­grund einer gro­ßen Anzahl von mikroökonomischen empirischen Studien).

Mittlerweile wird ein Zusammenhang dieser Größenordnung zwischen Arbeits­losengeld und Arbeits­losigkeit in Frage gestellt. Es stellt sich nämlich die Frage, welche Aus­wirkung die geschätzten mikroökonomischen Effekte auf die Ge­samtwirtschaft haben. Die wissenschaftliche Makroökonomik ist daher dazu übergegangen, die empirische Analyse mit einer theoretischen Fundierung in einem ganzheitlichen Modellrahmen zu kombinieren.

Ein vermuteter Wirkme­chanismus einer Senkung des Arbeitslosengelds (Dale Mortensen und Chris Pissarides, 1994) behauptet, dass sie die Ver­hand­lungsposition der beschäftigten Arbeitnehmer und ihrer Vertreter (Gewerk­schaften) verschlechtert. Dies führt zu Lohnzurückhal­tung und steigenden Un­ternehmensgewinnen, so dass die Unternehmen durch Neueinstellungen ihre Beschäftigung ausweiten und die Arbeitslosigkeit zurück­geht.

Ein anderer Wirkmechanismus durch Reduzierung der Bezugsdauer des Ar­beitslo­sengeldes legt den Fokus auf die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestehen­des Beschäfti­gungs­ver­hältnis aufgelöst wird und Arbeitnehmer größere Zuge­ständ­nisse bei Löhnen im Austausch für Arbeitsplatzsicherheit machen, was wiede­rum die Unterneh­mensgewinne steigert und so die Anzahl der Entlassun­gen reduziert.

Fazit: Die verfügbare wissenschaftliche Evidenz gibt keine ein­deuti­ge Antwort.

Die größte wirtschaftspolitische Herausforderung ist heute nicht hohe Arbeitslo­sigkeit, sondern ein Übermaß an atypischer Beschäftigung und ein ausufernder Niedriglohnsektor.

b) Makroökonomische Analyse

Die mikroökonomische Analyse verkennt völlig, dass gesamtwirtschaftlich nicht der Arbeitsmarkt und die Lohnhöhe über die nachgefragte Arbeitsleistung ent­scheiden, sondern der Produktmarkt und der Preismechanismus. Vor allem wird auch in der makroökonomischen Betrachtung ein Gewinnbegriff benutzt, der nichts mit dem gesamtwirtschaftlichen Gewinn zu tun hat. Es ist unglaublich, was da als Wissenschaft ausgegeben wird. Mir kam der Vergleich vor Augen mit einem Gänsegespann, mit dem man zum Mond fliegen will.

Wie wirkt der Mindestlohn auf die Beschäftigung?

Nach Kakarot-Handtkes Beschäftigungsgesetz in [2] steht fest, dass ein isolier­ter Min­destlohnanstieg die Beschäftigung erhöht.

Stefan Sell[6] benennt einen praktisch-politischen Aspekt: Es wurde „bei der Frage der Anpassung mit der Mindestlohn­kommission und dem zugrundelie­genden Regelwerk ganz bewusst ein Mecha­nismus geschaffen, der verhindern soll, dass der politisch gesetzte Mindestlohn stärker angehoben werden kann.” „… es wird mit diesem Regelwerk keinen ordentlichen Schluck aus der Mindest­lohnpulle geben können”.


[1]) Egmont Kakarot-Handtke: “Unemployment Out of Nowhere”. SSRN 1885544, 14.7.2011.
[2]) Egmont Kakarot-Handtke: “Stop guessing, start thinking”. Comment in David Ruccio: ‘The guessing game’. What a $12 Minimum Might Mean. Real World Economics Review Blog, 28.7.2015.
[3]) Egmont Kakarot-Handtke: “The key relationship between employment and growing/shrinking debt”. Comment on Steve Keen on ‘The unnatural rate of interest’. AXEC: New Foundations of Economics, 30.10.2015.
[4]) Egmont Kakarot-Handtke: “Wage rate and employment: the basics”. Comment on Brad DeLong on ‘Would Small Minimum Wage Increases Raise or Have No Effect on Employment?’ AXEC: New Foundations of Economics, 31.12.2018.
[5]) Tom Krebs: „Was kommt nach Hartz IV?” MAKRONOM, 17.1.2019.
[6]) Stefan Sell: „Warum Forderungen nach einem höheren Mindestlohn wohlfeil sind”, MAKRONOM, 5.11.2018.

Oskar Fuhlrott,