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Corona-Pandemie: Ausbreitungsmodelle und Folgen
Alle folgenden Inhalte wurden seit dem 29.5.2021 nicht mehr erneuert:
Epidemiologen rechnen mit schubweisen Beschleunigungen lokaler Anhäufungen zunächst unentdeckter Infektionsketten und der Mathematik exponentieller Verbreitungen, die wir nicht aus der Alltagserfahrung gewohnt sind. Die Modelle enden damit, dass sich dann bei einer Rate von mehr als Dreivierteln der Bevölkerung (80-90%) an infiziert Gewesenen und damit Immunisierten (?) die Epidemie totläuft. Doch was geschieht in dieser Zeit?
I. Reaktion wie bei einer Grippe-Epidemie?
Zwar zeigen Viele der Infizierten (vor allem Jüngere) kaum merkbare Symptome bzw. nur solche wie bei einer saisonalen Grippe. Doch es gibt Unterschiede[1]:
COVID-19 (neues Coronavirus SARS-CoV-2) | Grippe (Influenza) | Erkältung |
---|---|---|
Vor allem in Risikogruppen (Alte,
Vorer- krankte) viel schwerer/tödlicher (r0>2). ~15% der Infizierten brauchen Sauer- stoff, ~5% sogar künstliche Beatmung. |
Kann bis zu 25000 Tote im Jahr
fordern (Frühjahr 2018). Als Spanische Grippe forderte sie 1918–1920 sogar ~48 Mio.Tote. |
Selten tödlich |
Infizierte: evtl. symptomfrei bzw. Sympto-
me erst später, aber schon ansteckend |
Schlagartiger Beginn |
Beginn allmählich |
Schwitzen, (kein Heu-)Schnupfen, Niesen, Kurzatmigkeit, Halsschmerzen möglich |
Schnupfen selten |
Schnupfen+Niesen, Halsschmerzen |
Trockener Husten möglich | Trockener Husten möglich | Reizhusten, heiser |
Gliederschmerzen eher selten | Kopf-/Gliederschmerzen möglich | — |
Fieber, Schwäche, Müdigk., Hunger möglich | Fieber, Schwäche, Müdigkeit mögl. | — |
Geschmacks- und Geruchssinn gemindert | Weniger Geschmacks-/Geruchssinn | — |
Sehr infektiös
durch Tröpfchen (Niesen,
Husten) u. schwebende Aerosole (Singen) |
Moderat infektiös,
übertragen vor allem durch Tröpfchen |
— |
Virus auf der Haut bis zu 9 Stunden aktiv[2] | Auf der Haut bis 1,8 Stunden aktiv[2] | — |
Zugelassener Impfstoff wohl erst 2021;
vorher evtl. Mittel auf Antikörper-Basis |
Jährlich neu angepasste Impfstoffe
wirken zu 15% (17/18) bis 78%[2a] |
Hustenlöser |
Geheilte bleiben unbekannte Zeit immun | Geimpfte/Geheilte saisonal immun | — |
• Die (ungenaue) Fallsterblichkeit (Anteil Gestorbener an gemeldeten Fällen) beträgt 3 bis 4%.
• Die präzisere Infektionssterblichkeit (Anteil Gestorbener an den tatsächlich infizierten Fäl-
len — gemessen auf Basis von Antikörpertests) beträgt lt. einer US-Metastudie[8a] 0,8% (statt
0,05% bei Grippe). Drosten: In Deutschland wegen höheren Durchschnittsalters eher 1%[8b]. COVID-19 hat also insgesamt eine (16 bis) 20 mal höhere Infektionssterblichkeit als die Grippe. Bei 35-44-Jährigen stirbt jeder 2000te Infizierte (wie bei Grippe), bei über 85-Jährigen jeder 3.!
Vorläufige Forschungsergebnisse von Rechtsmedizinern an der Uni-Klinik Hamburg-Eppen-
dorf lassen vermuten, dass Thrombosen und Lungenembolien verstärkt werden können[6]. Sie fanden „das Lungengewebe in beiden Lungenflügeln durch schwere Entzündungsprozesse stark verändert. Der Übergang von Sauerstoff ins Blut war” eingeschränkt und „beeinträchtigt die Atmung und kann … Atemnot verursachen.” Blutverdünner könnten helfen. 7 der 12 Obduzierten hatten eine unentdeckte „tiefe Venenthrombose in beiden Beinen”.
Gefäßschäden gelten nun aber eher als Folgewirkung der COVID-19-Infektion[7]. Laut RKI
„beläuft sich der Verlust an Lebenszeit durch Covid-19 im Durchschnitt auf 9,6 Jahre”[7a].
II. „Weißbluten” der Bevölkerung als Strategie?
Eine politische Strategie, welche die Regierung Boris Johnson in Großbritannien zeitweise zu verfolgen schien: Anstreben einer „Herden-Immunität” durch Beibehaltung gewohnter sozialer Kontakte mit Inkaufnahme auch schwerster Erkrankungen mit Todesfolge, „bis kein Blut mehr fließt”, also die überlebende Bevölkerung „durchimmunisiert” ist. Vorteile: Schnellerer Verlauf und kaum Beeinträchtigung der Wirtschaft. Nachteil: Unzählige zusätzliche Tote auch durch Überlastung des Gesundheitswesens. Und: Hält die Immunität an?
III. Entschleunigung der Ausbreitung durch Distanzbildung und -wahrung
Die Reproduktionszahl r0 („Wieviele steckt ein Infizierter durchschnittlich an?”) mißt die normale (uneingedämmte) Infektiosität eines Virus.
Ab einer gewissen Cluster-Größe bzw. Zahl verfügbarer Mitarbeiter der Gesundheitsämter ist diese Nachverfolgung kaum noch leistbar. Amtsärzte: Die Warn-App sei ohne Datenweiterleitung für
Gesundheitsämter nutzlos[8d]. Drosten empfiehlt langfristig nur noch Konzentration auf die Rück-
wärtsverfolgung zum Aufspüren von Super-Spreadern.[8e]
Handlungsmöglichkeiten:
Ziel intaktes Gesundheitssystem: Intensivbehandlungsgrenze nicht überschreiten (Triage verletzt Würde, Art. 1 GG), Leistbarkeit von Testumfang und Infektionsketten-Verfolgung.
Erfassen | Behandeln | Eindämmen |
---|---|---|
Testen, Nachverfolgen, Warn-App, Statistiken | Intensivplätze, Personal, Material | Quarantäne, AHA+L-Regeln, Impfen+Booster, Berufsvorschriften |
China hat sehr früh die vollständige RNA des Virus entziffert und andere Forscher detailliert informiert. Das bildete die Grundlage für verschiedene inzwischen entwickelte Tests. Die ersten Rückverfolgungen der Infektionsketten konnten die Gesundheitsämter mit vor­handenem Personal leisten. In Heinsberg wurden Karnevalsgäste öffentlich aufgefordert, sich zu melden. Mindestens ein Teilnehmer meldete sich nicht und verstarb an Covid-19.
Auf der Behandlungsseite überwogen prozentuale statt verdoppelnder Verbesserungen:
• Personal: Umschulung in der Pflege, Reaktivierung ausgeschiedener Kräfte, Medizinstudenten, Bundeswehr, auch mehr Laborkräfte für die Tests — gleichzeitig sinken die Personalstärken durch zunehmende Infektionen im medizinischen/pflegerischen Personal;
• Material: Test-Sätze für alle, (teilweise private) Anfertigung von Atemschutzmasken, Produktion von weiteren Beatmungsgeräten;
• Intensivplätze: Aufschieben der Behandlung anderer Fälle, Umwidmung anderer Räume.
Problemlösungen von der Behandlungsseite her waren wohl von vornherein aussichtslos. Unsere Intensivplätze hätten auch nur wenige Wochen länger gereicht als Italiens 5000.
Am 30.1.21: 20537 von 24094 Intensivbetten belegt (2398 beatmet), + 10383 Not-Reserve[28].
Intensivärzte dazu: „Das Problem ist eher der Mangel an Personal als an Geräten.”[29]
Es drohten Ende März 2020 apokalyptische Zeiten — aber die Gefahr kann wiederkehren. Maßnahmen waren zu finden, die die Reproduktionszahl („verzögerte Ansteckungsrate”) schnell unter 1,0 brächten. Sonst drohe Erschöpfung der Intensivplätze und Übergang zum Triage-System der Katastrophenmedizin, das Patienten in drei Kategorien einteilt:
0 - Eine wenig aussichtsreiche oder aufwendige Behandlung wird nicht durchgeführt — nach schnell entscheidbaren Kriterien (z.B. nach Alter: Bergamo zeitweise 85 Jahre,
Straßburg sogar 75 Jahre [13]) oder nach Beratschlagung;
1 - Behandlung dringend geboten/aussichtsreich nach zu erwartender Restlebensdauer;
2 - Behandlung kann noch warten.
Es ging um die „Würde des Menschen”, um in Krankenhaus-Korridoren einsam Sterbende.
Die in der brenzligen Lage am 22.3.20 beschlossenen Lockdown-Maßnahmen bewirkten ein Wunder: Erst fanden die Fallverdopplungen immer langsamer statt, dann wurden die Reproduktionszahlen von „natürlichen” 3,3–3,8 auf unter 1,0 gedrückt ! Das heißt, das Maßnahmenbündel konnte die Ansteckungsrate auf etwa ein Viertel reduzieren !
Die Reproduktionszahl über 11 europäische Länder wurde von 3,8 bei Pandemie-Beginn
bis zum 4.5. auf unter 1,0 gesenkt. Das rettete damals über drei Millionen Leben[16].
Probleme: a) Kalibrierung: Welcher Maßnahmen-Mix bringt die R-Zahl sicher unter 1,0? b) Motivation: Verhalten sich die Menschen auch im nächsten Monat noch ebenso?
Kanzleramtschef Braun zu Oktober-Beschlüssen: „Wir haben diesen Vorsprung, den wir … hatten, erst aufgebraucht, bevor wir angefangen haben, dann konsequenter zu handeln. …
Wir hätten schon Mitte Oktober entscheidender und deutlicher handeln müssen”.[11c]
Das am 23.4.21 in Kraft getretene neue Bundesinfektionsschutzgesetz beinhaltet[11d]:
7-Tage-Inzidenz I < 100 | 7-Tage-Inzidenz I ≥ 100 | 7-Tage-Inzidenz I ≥ 150 | 3-Tage-Inzidenz I* ≥ 165
(an mind. 3 aufeinanderfolgenden Tagen) | Bundes- länder | |||
---|---|---|---|---|---|---|---|
max. 2 Haushalte | Ein Haushalt darf max. 1 Person treffen |
Härtere Regeln möglich | |||||
Beliebiges Ausgehen | Kein Ausgang von 22 bis 5 Uhr (ab 21 Uhr in HH) | ||||||
Sport draußen erlaubt | aber Sport (einzeln) bis 24 Uhr | ||||||
u.A.Präsenzunterricht | Bei Wechselunterricht: 2x/Wo. Test | Distanz-Unterricht (zwingend zu Hause) | |||||
Lebenswichtige Geschäfte und Dienstleistungen unter Hygiene- und Maskenpflicht geöffnet/erlaubt | |||||||
Geschäfte m. Termin+aktuellem Test | Nur Friseur und Fußpflege — mit Termin und aktuellem Test | ||||||
Gewerbe/Betriebe/Büros: Verstärkte Homeoffice-Pflicht, wo möglich, sonst regelmäßige Test-Pflicht | |||||||
Gastro außen offen | Gastronomie und Hotellerie schliessen, Zoos bleiben offen, Sport ohne Zuschauer | ||||||
ab 9.5. entfallen einige Ausgangs- und andere Beschränkungen für Endgeimpfte, Genesene und aktuell Getestete | |||||||
Öffnungs-/Kontakt-Regeln für Haushalte Ausgang, Einzelsport Schulen, Kitas Handel, Dienstleister Betriebe Gastronomie, Kultur, Sportligen |
(Die Fallzahlen sind kumulativ — sie enthalten also auch die bereits Genesenen)
Übersterblichkeit
„Übersterblichkeit bezeichnet die Anzahl an Todesfällen, die über einem historischen Mittel lie-
gen.”[19] COVID-19-Sterbezahlen kann man so genauer schätzen als über gemeldete, die u.A.
von der Testhäufigkeit abhängen. Vergleiche gibt es aber oft nur aus Zeitungsrecherchen[19a]. Nicht woran sie starben, sondern ob und wann es einen Lockdown gab, ist von Belang. Nur in Deutschland (und Norwegen, Österreich, Dänemark) starben so Wenige wie in Grippejahren. Grippe vor dem Lockdown verhält sich zu den Infektionen unter AHA+L-Regeln wie Äpfel und Birnen[→Unlogik]. Prof. Streeck: „Das Virus ist mindestens viermal gefährlicher” als die saisona-
le Grippe[23]. Prof. Drosten: COVID-19 ist sogar (16–)20 mal infektionssterblicher als Grippe.[23a]
Im März stieg in Italien die Zahl Gestorbener steil an — im 3. Märzdrittel auf nahezu das Doppelte
des jahreszeitlich Gewohnten. Spanien lag dann noch höher.[24]. Deutschland beschloss am 22.3. den Lockdown, um Ähnliches zu verhindern. Nach einer Übersterblichkeit bis Anfang Mai griffen die Maßnahmen. Hypothetisch gezeigt: Was unserem Gesundheitssystem sonst passiert wäre:
Prof. Drosten: Der deutsche Erfolg gehe schlichtweg darauf zurück, dass Deutschland ungefähr
vier Wochen früher reagiert habe als andere Länder.[20b] Jürgen Margraf (Uni Bochum): „wo die Regeln besser eingehalten werden, sind in den letzten zwölf Wochen über dreizehnmal weni-
ger Menschen gestorben als in Ländern, in denen die Regeln kritischer gesehen werden.”[24b]
IV. Berufseinschränkungen und wirtschaftliche Ausfälle im Lockdown
Verbote oder Einschränkungen: Gastronomie, Non-food-Läden, Friseure, Reiseveranstalter, Theater, usw. Schließung von Schulen und Kindergärten zwingt Eltern zu Arbeitsverzicht.
Güterproduzenten können i. Allg. die ausgefallene Produktion nachholen und brauchen allenfalls Kredite zur Überbrückung. Wer wegen weggebrochener Nachfrage nicht nachholen kann oder nicht kreditwürdig ist, verliert seine wirtschaftliche Existenzberechtigung. Dienstleister, die termingebunden arbeiten, können (soweit sie kein Homeoffice nutzen) nicht nachholen. Sie brauchen statt Krediten echte Staatszuschüsse. Die Bürger haben danach zwar mehr Geld, aber mit weniger Konsum-Optionen (mangels Produktion) insgesamt eher weniger Kaufkraft. Das gibt eine große, aber doch systematische Umverteilung.
Für den Ausfall sind Güterproduzenten und Dienstleister auf Hilfen angewiesen. Davor und danach verdienen sie aus vorhandenem Konsum. Die Hilfe wirkt umverteilend/leicht inflationierend (mehr Geld, nicht mehr Kaufkraft). Güterproduzenten können Ausfälle nachholen (Überbrückungskredite reichen). Dienstleister brauchen nicht-rückzahlbare Zuschüsse.
Die Analyse des Ökonomen Branko Milanović: „Diese Krise lässt sich nicht mit der Steuerung der Nachfrage lösen, noch nicht mal mit Geldpolitik wie zu Zeiten der letzten Finanz-
krise. Es ist eine Krise auf beiden Seiten: der Angebots- und der Nachfrageseite.”[38]
Die Bürger glauben, mit dem vielen Geld sei auch der real zu verteilende Kuchen (Kaufkraft) größer geworden. Das Gegenteil ist der Fall: Was nicht produziert ist, kann auch nicht konsumiert werden. Keynes' Rezept der Staatsaufträge mit Multiplikator (induzierter privater Nachfrage) greift nicht, weil es nicht an Aufträgen fehlt, sondern an der Produktionserlaubnis. Dienstleistungen machen mehr als ⅔ des Bruttoinlandsprodukts aus — ihr Ausfall ist nicht-nachholbar. Geldliche Mittel wie Kredite, Auflösung von Rückstellungen, Zuschüsse oder Kurzarbeitsgeld verteilen Gelder nur um und/oder erhöhen das Preisniveau. Nur Weniges ist länger einlagerbar.
Staatsüberschüsse sparen nichts an, sondern vernichten Wachstum. Es ist egal, ob vorher „gut gewirtschaftet” wurde — Staatsausgaben stammen volkswirtschaftlich immer aus laufender Wirtschaftsleistung.
V. Staat und Freiheitsrechte
Als Beispiel kann man der Forderung „Freie Fahrt für freie Bürger” (keine Höchstgeschwindigkeit!) der 1970er das allgemeine Recht auf Waffentragen in den USA gegenüber stellen.
Inzwischen gibt es in den meisten betroffenen Ländern Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote und Maskenregeln. Eingriffe in Freizügigkeit oder Versammlungsfreiheit sollten allerdings nur wegen schwerer Gefährdungen und nur vorübergehend gerechtfertigt sein.
VI. Ausblick
Die Politik steht vor einem mehrfachen Dilemma:
Denken die Querdenker? Oder lassen sie sich nur vor den kommerziellen Wagen der Klagepaten
spannen[39]? Was ist mit R-Werten, Inzidenzen, Zurückverfolgung und Intensivplätzen[40]?
Verschwörungstheorien? Die einzige Verschwörungstheorie, der ich glaube, ist, dass fast alle Verschwörungstheorien in Russland und noch einige in China und Trumps Umfeld
erdacht wurden[41]. Besonders dem hochprofessionellen St. Petersburger Team[42] scheint es einen Heidenspaß zu machen, möglichst verrückte Theorien ins Internet zu lancieren und zu sehen, wie sie sich tatsächlich in sozialen Medien verbreiten und geglaubt werden.
© Oskar Fuhlrott,