Grundlagen der genetischen Evolutionsforschung

Zellen, Mitochondrien, Chromosomen, Nukleotide, Mutationen, Haplogruppen

Das „Alfabet” der DNA besteht aus den vier Nukleinbasen (Nukleotiden) A, T, G und C, die immer als Basispaare auftreten (A-T und G-C).

Bezeichnung Basenpaare DNA-Vorfahren vor 10 Generationen Mutationen per
Mb & Generation
Sitz der DNA
46 diploide Chromosomen, davon 44 (haploid 22) autosomal=geschlechtsneutral 3057 Mb maximal 1024
effektiv ca. 120
0,020 im Zellkern
1 weibliches X-Chromosom   155 Mb Mann <90; Frau <144 0,015 im Zellkern
1 männliches Y-Chromosom (Y-DNA)     58 Mb Mann: 1 0,033 im Zellkern
Mitochondriale DNA (mtDNA) —
nur weiblich verererbt
16.569  1 1 bis 300 außerhalb d.Zellkerns

Eine Gruppe von Nukleotid-Sequenzen, die in der Abstammung der Gen-Varianten tiefgreifende Ersetzungen miteinander teilen, nennt man eine Haplogruppe [1].
Nur wenige hundert Einzelmutationen definieren alle menschlichen Haplogruppen für mtDNA oder Y-DNA [2, übersetzt].

Eurasien: Neandertaler, Denisova-Mensch, homo sapiens (moderner Mensch)

Im Neandertal fanden 1856 Arbeiter ein merkwürdiges Schädelfrag­ment, das dem Lehrer und Natur­forscher Johann Carl Fuhlrott und dem Anatom Hermann Schaaffhausen über­geben und von ihnen als vorzeitliche Form eines Menschen erkannt wurde. Die Fachwelt und insbesondere der bedeutende Pathologe Rudolf Vir­chow hielten den Fund aber für eine krankhafte Deforma­tion eines moder­nen Menschen. Doch später wurden ähnliche Fragmente in ganz Eurasien gefunden.

Fragmente des Denisova-Menschen wurden 2010 in einer Höhle im Altai-Gebirge gefun­den. Seine mtDNA ähnelt der des Neandertalers, unterscheidet sich aber an 202 Nukleotid-Posi­tionen [3].

Nach der gängigen out-of-Africa-Theorie* entwickelte sich der homo sapiens zuerst in Afrika und verbrei­tete sich später auch nach Eurasien/Australien/Ozeanien/Amerika. Die Gen-Analyse eines „moder­nen” Fossils aus der Oase-Höhle in Rumänien zeigte einen Anteil von 6-9% an Genen des Nean­dertalers — aus einer Vermischung vor etwa 40.000 Jahren; beim Fund von Ust-Ischim in Sibirien einen Neandertaler-Gen-Anteil von 2% aus einem Genfluss vor ca. 45.000 Jahren [4].

*) Angezweifelt durch wohl noch ältere Funde in Griechenland und Bulgarien [5] oder die Theorie des Multiregionalismus [6] mit China. Neuerdings steht dem auch der Fund der fast 12 Millionen Jahre alten, aufrecht gehenden Menschenaffen-Art Danuvius guggen­mosi im bayerischen Allgäu entgegen [7]. Das ist wesentlich früher und an ganz anderer Lokalität als die Behauptung einer „Wiege der Mensch­heit” mit der mitochondrialen Haplogruppe L0 im Makgadikgadi Feuchtgebiet nahe dem Okavango-Delta in Botswana [8, übersetzt].

Evolutionsbaum des modernen Menschen nach Haplogruppen

Enthält die DNA eines prähistorischen Fundes Y eine Mutation gegenüber der sonst gleichen DNA eines Fundes X, dann ist Y ein Nach­folger von X. Enthält die DNA eines Fundes Z eine einzige an­dere Mutation gegenüber X, ist eine Verzweigung definiert: Y und Z liegen auf getrennten Ästen.

Die Abstammung über das Y-Chromosom kennzeichnet eine rein männliche Linie, die über die mitochondriale DNA eine rein weibliche. Die mtDNA-Stammmutter nennt man „Eva”, den Stamm­vater der Y-chromosomalen Linie „Adam”. Da beide als jeweils spätestgeborene Personen vor der ersten Verzweigung definiert sind, werden sie wohl nicht gleichzeitig gelebt haben.

Die verzweigenden Mutationen werden mit sogenannten Haplogruppen bezeichnet. Einige Symbo­le wurden mehrmals geändert. Y-DNA- und mtDNA-Benennungen sind voneinander unabhängig.

Alter (Jahre) [9 u. jeweil. Wiki] 237.000–581.000 [12],  oder bisher 120.000–156.000 ? 99.000–148.000 dagegen: nur 5.000 [13] [12]A00:∼338.000 ! L3:84.000–104.000 M: 60.000 N:15.000–25.000 ? R: 66.000 U: 55.000 B: 60.000–65.000 H: 20.000–30.000 E: 50.000–55.000 F: 45.000 T1, T2: 21.000 H:25.000–45.000 K: 47.000 ? L: 25.000–30.000 I1: 35.000 P: 27.000–41.000 Q: 17.000–22.000 R2: 27.000 ? R1a,R1b:<18.500 Mitochondriale Abstammung (mtDNA) [2, 9] hypothetische mitochondriale „Eva L0 L1 L5 L2 L6 L4 L3 M N CZ D E G Q A S R I W X Y C Z B F R0 prä-JT P U HV JT U1 U5 U6 U2 U3 U4 U9 U7 U8 H V J T K H1 H3 H5 T1 T2 „Ost/Nord-Europäer” „West/Nord-Europäer” „Kelten” „Süd-Balkan” eu.Königshäuser „Alpen (Ötzi)” Abstammung nach Y-Chromosom (Y-DNA) [9, 10, 11] hypothetischer „Adam” des Y-Chromosoms A00 A0'1'2'3'4' A0 A1'2'3'4' A1 A2'3'4' A2'3' A4=BCDEF A2 A3 B CT DE CF D E C F E1 E2 G IJK H E1a E1b G1 G2 IJ K E1b1a E1b1b G2a G2b I J L K(xLT) T I1 I2 J1 J2 M NO P S N O Q R R1 R2 R1a R1b „Afrikan.+Nahost” „(Nord-)Germanen” „Slawen” „Kelten” Vermuteter Ursprung nichtafrika-nischer mtDNA: 75.000 Jahre alt Untergruppen von L3 M N L4 L6 L2 L5 L1 L0 Erste mtDNA moderner Menschen: 180.000-200.000 Jahre alt ? Vorfahr von Mensch+Schimpanse: mtDNA 6.500.000 Jahre alt [15]

Häufigste chromosomale („rein männliche Linie”) Haplogruppen in Deutschland [16]
Haplogruppe R1b R1a I1 E1b1b G J2 I2a2
(I2b)
T N Q J*/J1 Summe nach
Rundungen
Anteil in % 47,0 % 16,0 % 16,0 % 5,5 % 5,0 % 4,5 % 4,5 % 1,0 % 1,0 % 0,5 % ∼ 0,0 % 101,0 %
Häufigste mitochondriale („rein weibliche Linie”) Haplogruppen in Deutschland [17]
Haplogr. H J U5 T2 K HV0+V U4 T1 I W X U3 U2 L Sonst.
Anteil % 44,8% 9,0% 8,8% 7,8% 6,6% 4,0% 2,9% 2,8% 2,1% 1,7% 1,3% 1,1% 1,0% 0,3% 5,8%

Die Zuschreibung von nicht-äußerlichen Eigenschaften an die Menschen bestimmter Ha­plo­gruppen, besonders geistig-kultureller Art, ist generell unwissenschaftlich.

Die genetischen Unterschiede sagen (nach den zugrundeliegenden Naturgeset­zen) zunächst nur etwas über die bloße Vererbung in rein männlicher bzw. rein weiblicher Linie aus. Änderungen in den Gensequenzen lassen auf die exakte Verzweigungsreihenfolge schließen. Durch die ermittelte DNA-Verzweigungsfol­ge und die Er­fassungsorte lässt sich Einiges über frühere Wanderungen (meist in vorge­schichtli­cher Zeit, also älter als 7.000 Jahre) und aufgrund der Mutati­onswahrscheinlichkeiten auch etwas über den Zeit­punkt der Aufspaltung aussa­gen.


[1]) Lucia Simoni, Francesca Calafell, Davide Pettener, Jaume Bertranpetit, Guido Barbujani: “Geographic Patterns of mtDNA Diversity in Europe”. American Journal of Human Genetics, 66(1), 1.2000; corrected 66(3), 3.2000. Republished PMC1288355, courtesy of American Society of Human Genetics.
[3]) WikipediA: „Denisova-Mensch”. Abgerufen am 13.7.2019.
[4]) WikipediA: „Genfluss archaischer Menschen zu Homo sapiens”. Abgerufen am 14.7.2019.
[5]) „Stammen die ersten Vormenschen vom Balkan?”. ZEIT ONLINE, 22.5.2017.
[6]) Jörg Albers: „Out of Africa oder Multiregionalismus?”. TELEPOLIS, 24.6.2018.
[7]) Nadja Podbregar: „Fossiler Affe beleuchtet Fortbewegung unserer Urahnen”. wissenschaft.de, 6.11.2019.
[8]) Aylin Woodward: “New Study Pinpoints The Ancestral Homeland of All Humans Alive Today”. science alert, 28.10.2019.
[9]) WikipediA: „Haplogruppe”. Abgerufen am 12.7.2019.
[10) “Chronological development of Y-DNA haplogroups”. Eupedia.com, 2004-2019.
[12]) Vanalander: „Aktuelle Datierungen des menschlichen Stammbaums”. Vanaland, 16.7.2014.
[13]) WikipediA: „Mitochondrial Eve”. Abgerufen am 13.7.2019.
[14]) Mannis van Oven: „mtDNA tree Build 17”. 18.2.2016.
[15]) Nach Abbildung 1a (‚Out-of-Africa’ haplogroups M and N) aus: Chris A. Corser, Patricia A. McLenachan, Melanie J. Pierson, G. L. Abby   Harrison, David Penny: “The Q2 Mitochondrial Haplogroup in Oceania”. PLOS One 7(12), 2.12.2012.
[17]) Chih Lee, Ion I. Măndoiu, Craig E. Nelson: “Inferring ethnicity from mitochondrial DNA sequence”. BMC Proceedings, 5(Suppl 2),   5.2011. PMCID: PMC3090759, PMID: 21554759. Courtesy of BioMed Central.

Oskar Fuhlrott,