Die oft übersehenen
Kosten des Umstiegs von der GRV¹ auf Riester-Renten

Die Rentenreformen von 2001 (Einfüh­rung der Riester-Rente) und 2004 (Absen­kung des zukünf­tigen Renten­niveaus, Einfüh­rung des Riester-Faktors) entspra­chen dem Sinne nach (doch nicht ganz der Abstim­mung nach) in etwa einem Konsens² der Regie­rungs­parteien SPD und Grüne und der Opposi­tions­parteien CDU/CSU und FDP. Begründung:...Möglich­keit, die Absen­kung des Renten­niveaus durch einen staat­lich geför­derten Aufbau einer privaten ... Alters­vorsorge zu kompen­sieren.”³
Nach Ansicht damaliger Beob­achter² der Verhand­lungen gehörten sie aber zum lang­fristigen Plan, die gesetz­liche Rente auf ein Grund­versor­gungs­niveau zurück­zufahren und statt­dessen die private kapi­talge­deckte Rente als Standard-Alters­vorsorge auszu­bauen. Dann wäre in der nächsten Genera­tion eine Erhö­hung des Riester­satzes von 4% auf 8% folge­richtig mit einer Senkung des gesetz­lichen Beitrags­satzes von 20% auf 16% (und entspre­chender Senkung des gesetz­lichen Renten­niveaus) verbunden, bis schließ­lich der Riester­satz sein End­niveau erreicht und der gesetz­liche Beitrags­satz (und die gesetz­liche Rente) auf 0 gesunken ist: das wäre der Ersatz der gesetz­lichen Rente durch die Riester-Rente.
Die Unter­schiede kann man sich an einem Gene­rati­onen­modell klar machen, in dem in einer aktu­ellen Phase1 die Erwerbs­tätigen ihre Beiträge zahlen und ca. 30 Jahre später in einer Phase2 diese Beitrags­zahler zu Rentnern geworden sind. Wir nehmen an, dass während dieser 30 Jahre die Lohn­summe von 100 auf 200 gestiegen ist.
Tabelle 1: Das Beispiel der GRV¹ nach dem Umlage­verfahren:
vor Einführung der Riester-Rente bzw. Riester-Rente abgeschafft: Phase1 = aktuell Phase2 = erste Einzahler-Genera­tion in Rente
gesetzliche Arbeit­nehmer-Beiträge 10% von 100= 10 10% von 200= 20
gesetzliche Arbeit­geber-Beiträge 10% von 100= 10 10% von 200= 20
gesetzliche Renten-Auszahlungen 10+10= 20 20+20= 40
Tabelle 2: Für die ca. 150-jährige voll­stän­dige Umstel­lungs­zeit auf die Riester-Rente nehmen wir pro Genera­tion auch eine Verdopp­lung des Riester-Kapi­tals an. Unter sonst gleichen Bedin­gungen, aber zusätz­lich einem Riester­beitrag von zunächst 4%, der sich mit jeder Genera­tion um 4% erhöht, während der gesetz­liche Beitragssatz sich um 4% senkt (und mit ihm das gesetz­liche Renten­niveau), ergibt sich:
mit Riester-Renten­system: Phase1 = aktuell Phase2 = erste Riester-Sparer­genera­tion in Rente
Riester-Beiträge 4% von 100= 4 8% von 200= 16
Riester-Renten 0 4·2=   8
gesetzliche Arbeit­nehmer-Beiträge 10% von 100= 10 8% von 200= 16
gesetzliche Arbeit­geber-Beiträge 10% von 100= 10 8% von 200= 16
gesetzliche Renten-Auszah­lungen 10+10= 20 16+16= 32
Arbeitnehmer-Beiträge insge­samt 4+10= 14 16+16= 32
Renten-Auszahlungen insge­samt 20 8+32= 40
zusätzliche staat­liche Mittel (Grund­zulage, Kinder­zulage, Sonder­ausgaben­abzug) und Abgaben (Steuern) Riester-Förde­rung  (Höhe aus veröffent­lichten Angaben nicht quantifi­zierbar) Renten-Besteue­rung  (Gesamt­höhe nicht quantifi­zierbar)
Nach Umstel­lungs­beginn bedingt die Versor­gung der existie­renden Rentner aus der GRV beson­dere Umstiegs­kosten.
Das bedeutet, wenn wir die Diffe­renz zwischen Riester-Förde­rung und nach­gela­gerter Renten-Besteu­erung mal außer acht lassen (ist vermut­lich nahe null): nun zahlt der Riester-Sparer in Phase1 insgesamt das 1,4-fache (14) und erhält dafür in Phase2 insge­samt die gleiche Rente (40) wie im reinen Umlage­system. Wer dagegen nicht riestert, zahlt das Gleiche wie bisher (10), erhält dafür aber nur 80% der alten Rente (32). Will jemand also seine Altersvorsorge aufbessern, zahlt er 40% mehr (14 statt 10), um 25% mehr Rente (40 statt 32) zu erhalten.

Gibt es denn Umstände, unter denen sich der Umstieg zu kapi­talge­deckten Renten lohnt?

Theore­tisch ja: dazu müsste sich das Kapital der Riester-Rente in den 30 Jahren mehr als versechs­fachen, während sich die Lohn­summe nur verdop­pelt. Das ergibt in Phase2 insge­samt eine Rente von mehr als 56 (24+32), also mit 1,4-fachem Beitrag (14) eine mehr als 1,4-fache Rente (mehr als 56) gegen­über einem reinen Umlage­system (40). Diese Rendite müsste aller­dings dauer­haft für etwa 150 Jahre so hoch sein, und es ist kaum denkbar, dass eine solche Rendite so lange etwa dreimal so hoch ist wie das Wirt­schafts­wachstum, das ja nur bei sinkender Lohn­quote etwas höher sein kann als das Lohn­summen­wachstum. Demnach bleibt ein vorteil­haftes kapi­talge­decktes Renten­system eine Utopie.

Ist hier das zukünf­tige Absinken des Rentenniveaus durch Über­alte­rung, sinkende Lohn­quote oder Ähnli­ches verur­sacht?

Kaum: wie oben gezeigt, ergibt sich das Absinken des Renten­niveaus um 20% allein aus dem teil­weisen Ersatz der gesetz­lichen Rente (mit 4% Beitrags­rück­gang) durch die Riester-Renteandere Ursachen wie Ände­rungen des Alten­quoti­enten, der Arbeits­losig­keits-, Erwerbs- oder Lohn­quote sind in den Rechen­beispielen unbe­rück­sichtigt. Die geplante Renten­niveau-Absen­kung (18,5%ª bis 2040) fällt nur geringer aus, weil die geplante 4-prozen­tige Beitrags­absen­kung verschoben wird. O.F.


¹) Gesetz­liche Renten­versiche­rung
²) Prof. Winfried Schmähl: „Umlage­finan­zierte Renten­ver­siche­rung in Deutsch­land — Opti­onen und Konzepte sowie politi­sche Entschei­dungen als Einstieg in einen grund­legenden Trans­forma­tions­prozeß”, 2001;  Christian Marschallek: „Die "schlichte Notwendig­keit" privater Alters­vorsorge: Zur Wissens­sozio­logie der deut­schen Renten­politik”, 2003.
³) „Die Wirkungen der Rentenreform 2001… ”, Bundes­ministe­rium für Arbeit und Sozi­ales, laut walterriester.de/presse48.shtml, 22.042008.
ª) „Die Reformen seit 2001 senken das Rentenniveau”, Deut­sches Institut f. Alters­vorsorge, www.dia-vorsorge.de/downloads/df050319.pdf