W - Staatsfinanzen

Staatliches „Sparen”

Staatsausgaben, Staatsschulden und Generationen-Lasten

Monetäre Staatsfinanzierung, Staatstheorie des Geldes und MMT

Staatliches „Sparen”

„Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not” ?

Privathaushalte können Ersparnisse ansammeln. Unternehmen können Rück­stellungen bilden. Für den Staat als Ganzem würde das jedoch anders wirken: „Ein Staat bildet keine Rücklagen im Sinne eines Unternehmens oder einer Pri­vatperson. Bildet er eine solche Rücklage, so entzieht der Staat der Volks­wirtschaft Wachstum. Die einzig sinnvolle ‚Rücklage’, die der Staat bilden kann ist der Ausbau des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks. Genau hier ver­sündigt sich der Gesetzgeber an der zukünftigen Generation, denn seit nun­mehr 16 Jahren verliert unser Kapitalstock jährlich an Wert (negative Netto­investitionen). … Nebeneffekt — nur wenn die Investitionsnachfrage deutlich an­steigt, hat der Sparzins die Chance über die Null zu klettern”[1].

Dieser Effekt ist eine Erweiterung des Mackenroth-Theorems, wonach alle Ausgaben immer nur aus den laufenden Wirtschaftsleistungen bestritten werden können. Ein Beispiel: Ab und zu gei­stern Meldungen durch die Medien, dass die „Rentenkasse” prall gefüllt oder fast leer sei. Aber eine solche Rentenkasse gibt es für die umlagefinanzierte Rente nicht. Zum Ausgleich kurzfristi­ger Schwankungen zwischen Bei­tragseingängen und Rentenauszahlungen gibt es nur eine kleine Nachhaltigkeitsrücklage:  „prall gefüllt” ist diese, wenn sie am 31. Dezember das 1½-fache der durchschnittlichen Ausgabe für einen Monat über­steigt; „fast leer” ist sie, wenn sie dann der durchschnittlichen Monatsausgabe unterschreitet (in bei­den Fällen ist zum nächsten 1. Juli eine entsprechende Beitragssenkung bzw. Beitragserhöhung nötig).

Staatsausgaben, Staatsschulden und Generationen-Lasten

Paetz: „… der Mythos vom Generationenkonflikt löst sich in Luft auf, sobald man sich darüber im Klaren ist, dass jeder Verbindlichkeit eine gleich hohe Forderung zur exakt gleichen Zeit gegenübersteht. Solange wir keine Überweisungen mit einer Zeitmaschine durchführen, können Schulden kei­nen Konflikt zwischen den heute Lebenden und den morgen Geborenen erzeugen.” Die Jungen werden später das Geldvermögen der Älteren erben, also keinen Konflikt zwischen den Generationen erleben, „sondern schlimm­stenfalls einen Verteilungskonflikt innerhalb einer Generation.”[2, S. 57]

Ehnts: „Innerhalb jeder Generation gibt es für einen Euro Staatsschulden auch einen Euro an Staatsanleihen.”[3]

Allen Schulden stehen global immer Forderungen in gleicher Höhe gegenüber. Diese werden hier Geldvermögen genannt, im Unterschied zu Sachvermögen.

Demagogische Schaustücke wie die Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler erwecken den Eindruck, die Staatsschulden seien Schulden der Bürger. Das Ge­genteil ist aber der Fall: Steigen die Staatsschulden, steigt global auch im­mer das Finanzvermögen des Privatsektors um genau den gleichen Be­trag. Im Laufe der Tilgung wird dieses Zusatzvermögen wieder auf null zurück­geführt. Allerdings: Bürger ohne Staatsanleihen können daran nicht teilhaben.

Finanzierung über Staatsanleihen (Bonds):

Paetz: „Wird eine Staatsanleihe neu emittiert und vom Bankensektor gekauft, so überweisen die Banken Reserven in Höhe des Kaufpreises auf das Zentral­bankkonto des Finanzministeriums. Will das Finanzministerium mit dem Geld zum Beispiel die Rechnung für den Bau einer Brücke begleichen, werden die Reserven dann der Bank des Brückenbauers übertragen, die diesem die ent­sprechende Summe in Form von Einlagen gutschreibt.”[2, S. 161]

Die makroökonomische Buchhaltung verwendet — anders als die kaufmännische doppelte Buch­führung — vierfache Einträge: Jeder Vorgang umfasst zwei Doppeleintrags-Buchungen.

Als Beispiel diene eine typische Schuldenfinanzierung über festverzinsliche An­leihen (Bonds) — allerdings (wie z.Zt. üblich) zum Zinssatz null — rückzahlbar in jährlichen Raten ab dem 5. Jahr bis zur endgültigen Tilgung im 30. Jahr (die hier mögliche Alternative wäre eine einmalige Gesamt-Tilgung im 30. Jahr).

Zusammengedrängt auf fünf Konten laufen folgende Vorgänge ab:

a) Die sich für die Ausgabe bewerbenden Geschäftsbanken stellen der Zentralbank Sicher­heiten und erhalten dafür Zentralbankgeld (Reserven) auf Kredit.

b) Der Staat legt Verzinsung und Tilgungsplan für die Bonds fest, emittiert sie und teilt sie den sich bewerbenden Geschäftsbanken gegen entsprechende Reserven zu.

c) Anleger könnten die Bonds entweder aus vorhandenem Geldvermögen oder aus Kredi­ten bezahlen. Zur Demonstration werden Beispiele zu beiden Annahmen behandelt:
c1) Ein Teil der Anleger kann die gewünschten Bonds bei ihren Geschäftsbanken aus vor­handenem Geldvermögen bezahlen (Aktivtausch).
c2) Der andere Teil der Anleger kauft die Bonds über Buchgeld aus Krediten gegen Sicherheiten (dazu können die anzulegenden Bonds selbst dienen).

d) Nach den Verkäufen tilgen die betroffenen Geschäftsbanken ihren Kredit bei der Zen­tralbank durch Reserven und erhalten dafür die gestellten Sicherheiten zurück.

e) Mit dem erhaltenen Geld aus dem Verkauf der Bonds kann der Staat den Privatsektor mit einem Investitionsprojekt beauftragen, wofür der produzierende Teil des Privatsek­tors (hier als Vereinfachung, um nicht noch mehr Sektoren und damit Konten zu benö­tigen) eine Gutschrift erhält und somit das private Netto-Geldvermögen steigert. Der Sektor verteilt die Einnahmen auf seine jeweiligen Arbeitnehmer. Der Staat kurbelt die Wirtschaft an oder vermehrt sein Sachvermögen und verbessert so die Infrastruktur.

 f) Alle Steuerzahler zahlen dem Staat ihre Steuern: Die Produzenten und Gutverdiener viel, die Kleinverdiener wenig. Hier geht es um die für Tilgung (und Zinsen) zusätzlich zu erhebenden Steuern (denen das — zwar ungleich verteilte — private Finanzvermö­gen in gleicher Höhe gegenübersteht), die eine feste gleichbleibende Summe bilden, während die anderen Steuern variabel/relativ zum Einkommen/BIP festgesetzt sind. Wachstum und Inflation beeinflussen also die relative Belastung durch die Zusatzsteu­ern im Verhältnis zu anderen Steuern. Der Einfachheit halber werden die Zahlungen über die gesamten 30 Jahre zusammengefasst. Der Staat zahlt ab Jahr 5 seine jährli­chen Raten an die Anleger bzw. deren Erben. Wäre ein positiver Zinssatz zugesagt, würden daraus auch Zinsen gezahlt. Die Schulden des Staates sinken, das Geldvermö­gen der Anleger auch. Mit dem Jahr 30 endet die Tilgung und damit die zusätzliche Ver­schuldung des Staates, aber auch das zusätzlliche Finanzvermögen der Anleger/Erben.

Sicherheit. Reserven Staatsanl. Einlagen Infrastrukt. Überweisg Überweisg Überweisg zus.Steuern zus.Steuern zus.Steuern NettoGeldv. Sicherheit. Tilgung Verwendg.Herkunft Staat:Pr. Anleger/ErbenPriv.Kleinverdiener FinanzministeriumZentralbankGeschäftsbanken& deren Arbeitgeb.& deren Arbeitgeb. Erläuterungen: Zubuchung Abbuchung a) b) c) d) e) f)

Nebenrechnung Vermögensentwicklung:

g) Der Staat hat mit der Emission der Bonds Schulden aufgenommen. Der Privatsektor (nur die Anleger) hat dafür in gleicher Höhe Wertpapiere (Finanzvermögen) erworben. Global hat sich das Geldvermögen gemeinsam mit den Schulden erhöht.

h) Der Staat hat mit Infrastruktur-Investitionen zusätzlich Sachvermögen aufgebaut (gut für das Wachstum) und schreibt es in den folgenden Jahren allmährlich ab. Diese Abschreibungen über viele Jahre werden hier in einer Buchung zusammengefasst.

 i) Der Staat ist mit der Tilgung die neuen Schulden losgeworden. Der Privatsektor (nur die Anle­ger/Erben) hat schließlich in Höhe der Tilgungen sein zusätzliches Geldvermögen wieder verloren. Global hat sich mit den Schulden auch das Geldvermögen vermindert.

Investition Abschreibg. Geldverm.Schulden Staat: Sachverm.Staat:Finanzverm.Anleger: Finanzvm.Gesamt-Finanzvm. AufbauWertverl. g) h) i)

Niepelt: „Nimmt ein Staat Schulden auf, so verschiebt er damit die Erhebung von Steuern in die Zukunft, denn die Schulden müssen später bedient werden. (Wenn das Wachstum den Marktzins dauerhaft übersteigt, wie das einige Ökonomen vermuten, dann gilt dieser Zusammenhang nicht; Schulden müssen dann nie zurückgezahlt werden.)”[4]

„Wenn die Regierung stets einen ausgeglichenen Haushalt führt, … wird das Nettogeldvermögen des privaten Sektors gleich Null sein.”[5]

„Bei ausgeglichenem Außenhandel” (Ex=Im) gilt: staatliche Neuver­schuldung (G - T) = Nettogeldvermögensbildung des Privatsektors (S - I).[6] „Wenn der Staat dauerhaft Überschüsse erzielt, um seine Schulden langfristig komplett zurückzuzahlen, muss der Privatsektor in der selben Zeit permanent sein Ver­mögen reduzieren, bis das Nettogeldvermögen auf Null gesunken ist.”[6]

Finanzierung über Staatsdefizit:

Nach dem Stabilitätsgesetz ist der Bundesregierung eine Defizit-Finanzierung nur in einer schwächelnden Konjunkturphase erlaubt, wenn es in der folgenden Hochkonjunkturphase wieder ausgeglichen wird. Die Wirkung ist (in Umkeh­rung des Haushaltsüberschusses oben) die Schöpfung von Geld. Viele Experten halten das auch generell über den Konjunkturausgleich hinaus für eine empfeh­lenswerte Methode zur Wachstumssteigerung, wenn gewisse Absicherungen gegen eine inflationäre Entwicklung getroffen werden.

Eine besondere Variante ist das „Helikoptergeld”. Dabei wird nicht wirklich Geld von Helikoptern abgeworfen, sondern einem bestimmten Empfängerkreis per Banküberweisung gutgeschrieben. Dazu müssen dem Staat die Kontonummern der Berechtigten unverwechselbar bekannt sein. Da dies beim Kindergeld der Fall ist, kann erstmals den Kindergeld-Berechtigten im Rahmen des Corona-Konjunkturprogramms ein solcher Kinderbonus überwiesen werden.

Für die Europäische Union gelten teilweise andere Voraussetzungen.

Monetäre Staatsfinanzierung, Staatstheorie des Geldes und MMT

Die Steuerentlastung nach Niepelt[7]: Während bei einer Finanzierung über ei­nen Kredit dieser samt Zinsen mit Steuergeld bedient werden müsse, ziehe die monetäre Staatsfinanzierung „keine oder eine tiefere spätere Belastung des Steuerzahlers nach sich”. Es handele sich bei der monetären Staatsfinanzierung „um gar keine Finanzierung, sondern vielmehr um eine Emission von Geld, ge­nauer Reserven … Die ZB schreibt also ihrem Finanzministerium einfach einen Betrag … gut …” Steinhardt dazu: Es sei zwar richtig, dass wenn mehr Geld zur Verfügung steht, es mehr Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen ge­ben kann. Richtig ist auch, dass wenn die Nachfrage steigt, es zu Preissteige­rungen kommen kann. Und zwar dann, wenn man mit den vorhandenen Produktions­kapazitäten die zusätzliche Nachfrage nicht befriedigen kann… „Nun aber benö­tigt eine Bank für die Kreditvergabe per se gar keine Reserven. Da Geld nicht mehr ist als eine Gutschrift auf einem Girokonto, kann es eine Bank selbst pro­duzieren. Und zwar mit einem Buchungssatz: Kredit an Girokonto.”[8]

Georg Friedrich Knapp begründete 1905 die Staatstheorie des Geldes, die von der MMT-Bewegung (Modern Monetary Theory) wieder entdeckt wurde und vor allem in den USA politisch diskutiert wird. Demnach kann der Staat als Mo­nopolist des eigenen Geldes darüber frei verfügen. Seine Kaufkraft erhält es dadurch, dass es ein gesetzliches Zahlungsmittel ist und auch zur Bezahlung von Steuern und Abgaben vorgehalten werden muss (Steuern finanzieren also nicht den Staat, sondern sichern den Werterhalt). MMT: Souveräne Regierun­gen als alleinige Anbieter von Landeswährung haben eine unbegrenzte finanzi­elle Leistungsfähigkeit und können nicht bankrott gehen. Praktische Grenzen der Regierungsausgaben in souveräner Währung sind nur durch die Verfügbar­keit der Ressourcen gegeben. Der Euro im jetzigen Eurosystem ist noch keine souverä­ne Währung. Dazu müsste die Eurozone ein gemeinsames Finanzminis­terium mit Weisungsbefugnis gegenüber der EZB haben.


[1]) distefano: Kommentar zu Bert Flossbach: „So funktioniert der Milliardentrick mit Staatsanleihen”. (18.10.) 23.10.2019.
[2]) Michael Paetz: Skript „Geldtheorie und Geldpolitik. Sommersemester 2020”. Universität Hamburg, 2020.
[4]) Dirk Niepelt: „Wenn die Notenbank den Staat finanziert”. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.5.2020.
[5]) L. Randall Wray: „Die Grundlagen der makroökonomischen Buchhaltung”. Übersetzung einer Einführung in die MMT, New Economic Perspectives, 2011. Pufendorf-Gesellschaft, 3.5.2020.
[6]) (Michael Paetz:) „Gesamtwirtschaftliche Buchhaltung: Finanzierungssalden”. Was-ist-Geld.de, Ein Projekt der hamburg open online university. 2019?
[7]) Dirk Niepelt: „Wenn die Notenbank den Staat finanziert”. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 31.5.2020.
[8]) Paul Steinhardt: „Geld aus der Druckerpresse = Inflation?”. MAKROSKOP, 5.6.2020.

Oskar Fuhlrott,