L.e - Variable Geldmenge: Regulierung versagt

Mindestreserve-Regelung und fraktionales Reservesystem

Bei einer Mindestreserve-Vorschrift müssen die Geschäftsbanken im Verhältnis zur jeweilige Höhe der kurz- bis mittelfristigen Kredite an Nichtbanken (abzüg­lich eines Freibetrags) einen Mindestbetrag an Reserven (= Zentralbankgeld) auf ihrem Konto bei der Zentralbank anrechnen lassen.

Diese „Reserven” sind übrigens keine Reserven der Geschäftsbanken (und nicht zu verwechseln mit deren Eigenkapital), sondern Reserven der Zentralbank (eine Art eigene Währung).

Die Theorie des fraktionalen Reservesystems … [1, nach Bundesbank]

unvollständig Kredit A an I Forder. A an I Überw. I an R (a) Überw. I an R (b) Überw. I an R (c) Überw. I an R (d) Überw. I-R (b) Überw. I-R (c) Kredit A an I Forder. A an I Überw. I-R (a) Überw. I-R (b) Kredit A an I Forder. A an I Überw. I-R (a) Überw. I-R (c) Überw. I-R (d) Überw. I-R (d)

Nach der Theorie vom Geldmulti­plikator [2] soll das die Gesamthöhe der ver­gebbaren Kredite begrenzen. Diese Theorie gehört zum Kern der Lehrbücher für Volkswirtschaftsstudenten „und behauptet, zu ‚erklären’, wie Banken Geld schöpfen und wie die Zentralbank die monetären Gesamtmengen beeinflusst” [3, übersetzt].

Eine Gesamtkritik dieser Vorstellungen bietet Bill Mitchell [in 3] und verweist dabei auf seine weiteren Publikationen (in Englisch):

Der Geldmultiplikator und andere Mythen

Der Geldmultiplikator — totgeglaubt

Das Ansammeln von Bank-Reserven expandiert nicht die Kredite

Das Ansammeln von Bank-Reserven wirkt nicht inflationär

Kreditvergabe wird durch das Kapital begrenzt, nicht durch Reserven

Lehrbuchmeinung: „… der Geldmultiplikator m formt Änderungen am Basisgeld (MB) … in Änderungen der Geldversorgung (M) um.” Dann wird „m hergeleitet, am einfachsten ausgedrückt als Umkehrung der verlangten Mindesreserve­quote.” Eine Mindestreservepflicht von 10% der Einlagen würde also zum Multi­pli­kator m=1/0,1=10 führen. „Kompliziertere Formeln sind herzuleiten, wenn man berücksichtigt, dass die Leute auch einen Teil ihrer Einlagen als Bargeld halten wollen. Aber das fügt der Geschichte nichts hinzu” [3, übersetzt].

„Die Formel zur Bestimmung der Geldversorgung ist M=m·MB.” … „Wie dieser Multiplikator wirken soll, wird wie folgt erklärt (bei einer angenommenen Min­destreservepflicht von 10% …):”

• Eine Person zahlt $100 in einer Bank ein.

• Um Geld zu verdienen, reicht die Bank dann einen Kredit über $90 an einen Kunden aus.

• Dieser gibt das Geld aus, und der Empfänger der Summe zahlt es bei seiner Bank ein.

• Jene Bank vergibt Kredite von (0,9 mal $90=) $81 (so behält sie die erforderliche Reserve von 0,1).

• Und so geht es weiter, bis die Kredite so klein werden, dass sie sich ins Nichts auflösen.

Der Bluff bei der Mindestreserve

Die Theorie des fraktionalen Reservesystems ist eine Irreführung.

Chris Brown [4, übersetzt] stellt die Begründung in Frage und schließt dazu mit 6 Punkten:

1) Es gibt keine „‚natürliche Zinsquote’ mehr. … Banken sind nicht mehr im Verleihen eingeschränkt durch die Anzahl der vorhandenen Reserven.”

2) Eingeschränkt sind sie durch den Bedarf an kreditwürdigen Entleihern und durch Regulierungen.

3) Eine wirkliche Grenze bildet nur das Verhältnis von Eigenkapital zu den Verbindlichkeiten.

4) Wo die Reserven sich nach der Höhe der Einlagen richten, ist das Timing wichtig: Die Anforderung an Reserven „folgt der Schaffung der Einlagen — sie geht ihr nicht voraus.”

5) „… dies widerlegt die Geldmultiplikator-Theorie” angesichts der Milliarden Dollars, die QE in das Bankensystem gepumpt hat.

6) „Die Höhe der Überschussreserven bestimmt nicht die Geldmenge, sondern kreditwürdige Entlei­her und die Regularien, die festlegen, wie Geld verliehen werden darf.”

Die Zentralbank braucht die Mindestreserve-Vorschrift höchstens, um ihren Zinssatz durchzusetzen. In der EU beträgt der Mindestreserve-Satz nur noch 1 Prozent. Für Kritiker „bedeutet das, dass die Banken etwa” hundertmal „mehr Geld schöpfen konn­ten, als sie real besitzen. Solange dabei mehr Kre­dite aus­ge­reicht als getilgt werden, steigt die Geldmenge im Land immer weiter an — völlig unkontrolliert von der Zentralbank oder gar der Regierung” [5].

„Kanada, Großbritannien, Neuseeland, Australien, Schweden und Hongkong haben keine Mindestreserve-Anforderungen mehr”. Auch in sol­chen Län­dern „können die Über-Nacht-Reserven der Geschäftsbanken nicht negativ werden. Die Zentralbank wird immer einschreiten, um die notwendigen Reser­ven zu ver­leihen, damit dies nicht passiert” [6, übersetzt].


[1]) Harald Wozniewski: „Die amerikanische Bankenkrise und die weltweite Finanzkrise”. Blog Meudalismus, 8.8.2008.
[2]) „Geldschöpfungsmultiplikator”. Wirtschaftslexikon24.com, 2018.
[3]) Bill Mitchell:“The role of bank deposits in Modern Monetary Theory”. Macroeconomic research, teaching and advocacy. Economic Outlook blog. 26.5.2011.
[5]) Paul Schreyer: „Geld aus dem Nichts”. TELEPOLIS, 18.12.2011.
[6]) WikipediA: “Reserve requirement”. Abgerufen am 1.5.2019.
[7]) Anja Ettel, Holger Zschäpitz: „Darum rüttelt die Bundesbank jetzt an unserem Geldsystem”. WELT, 29.4.2017.

Oskar Fuhlrott,