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Konjunkturen — welche sind gemeint?

So wie das Wort „Konjunktur” in der öffentlichen Meinung sowohl mit einem Wirt­schafts­wachstum (hier W-Konjunktur genannt) als auch mit sprießenden Gewinnen (hier G-Konjunktur genannt) verbunden wird, und „Rezession” je­weils mit dem Gegenteil, — ungefähr wie Umsatz und Gewinn eines Betriebes — bleiben dazu in der Wirtschaftstheorie alle konventionellen Richtungen un­klar oder klar feh­lerhaft.

Woher stammt der Gesamtgewinn des Unternehmenssektors? Die frühen Öko­nomen nahmen einfach an, dass alles, was den Gewinn eines einzelnen Unter­nehmens gegenüber der Konkurrenz erhöhen würde, auch den Gesamtgewinn des Unternehmenssektors steigere. Makroökonomisch geht das aber nicht auf. Keynes hatte in seiner General Theory ein Kapitel dazu vorgesehen — bekam es aber nicht hin und ließ es dann weg [1]. Hans Christoph Binswangers Ver­knüpfung mit einer (abenteuerlichen) Gewinntheorie als „Wachstumszwang” [2] wäre besser nur ein „Gewinnzwang”. Auch Meghnad Desais Palgrave-Lexikon­eintrag “Profit and Profit Theory” [3] löst das Gewinnrätsel nicht.

Moderne Geldtheoretiker sagen nun, der Gesamtgewinn lässt sich nicht aus dem makroökonomischen Kreislauf ableiten, sondern entsteht durch einen rein geldlichen Effekt. Laut dem späteren Wirtschaftsnobelpreisträger Maurice Allais ergibt er sich aus der monetären Identität [4]: Einbehaltene Gewinne = Inves­titionsausgaben + Verschulden. Nötig ist also das mehrheitliche Verschulden von (zusammengerechnet): Privathaushalte+Staat+Ausland, damit der Unter­nehmenssektor Gewinne macht — ganz anders als beim Wirtschaftswachstum.

Wirtschaftspolitisch bedeutsam sind diese Unterschiede:

W-Konjunktur, W-Rezession:

Produktion und Geschäftstätigkeit weiten sich in der W-Konjunktur aus und werden in der W-Rezession reduziert. Aber es geht den Unternehmen in der W-Konjunktur nicht besser, in der W-Rezession nicht schlech­ter als sonst. Versäumen einzelne Unternehmen die Anpassung, übernehmen andere. Es gibt keinen Zusammenhang mit dem Gesamtgewinn des Unter­nehmenssektors.

Rezession: Mit geringerer Produktion wird weniger beschäftigt, und kurzfris­tig die Arbeitslosigkeit höher.

Durch den Vorlauf von Investitionen vor dem bewirkten Umsatzplus, sowie von unterlassenen Neu-Investitionen vor Umsatzstagnationen/-Rückgängen, können sich Wachstum und Schrumpfung vorhersehbar abwechseln — die bekannten Konjunkturzyklen.

G-Konjunktur, G-Rezession:

Auch ein starker Gewinnanstieg im Unternehmenssektor wird Konjunktur genannt. Da gibt es aber keinen Zusammenhang mit dem Produktions­umfang.

Die Beschäftigung ist asymmetrisch betroffen: Sie wird bei Verlusten der Unternehmen über Konkurse reduziert und bei Gewinnen nicht gleich aufge­stockt.

Die nötigen Verschuldungen einiger Nicht-Unternehmenssektoren sind so ver­schiedenartig, dass sie nicht zyklisch erklärbar und nicht vorsehbar sein können. Praktisch ist nur eine Gewinnstagnation vorstellbar, keinesfalls ein Gesamt­ver­lust des Unternehmenssektors; sonst entfiele der Antrieb zum gewinn­orientierten Wirtschaften in der Marktwirtschaft — mit der siche­ren Folge ihres vollständigen finalen Zusammenbruchs [5, 6].


[1]) Gunnar Tómasson, Dirk J. Bezemer: “What is the Source of Profit and Interest? A Classical Conundrum Reconsidered”. MPRA Paper No. 21292, Uni München, 29.1.2010, pp. 13f.
[2]) Hans Christoph Binswanger: „Die Wachstumsspirale”. metropolis-Verlag, 4. Auflage, Marburg 2013.
[3]) Meghnad Desai: “Profit and Profit Theory”. In: S. N. Durlauf, L. E. Blume (Eds.): The New Palgrave Dictionary of Economics Online. Palgrave Macmillan, 2nd edition 2008; bzw. Springer Link.
[4]) Maurice Allais: “Les Fondements Comptables de la Macro-Économie”. Presses Universitaires de France, 1954, 2ème édition 1.3.1993, p. 69.
[5]) Egmont Kakarot-Handtke: “Mathematical Proof of the Breakdown of Capitalism ”. MPRA Paper No. 52910, Stuttgart 13.1.2014.
[6]) Die Frage ist, ob der Unternehmenssektor eine kürzere Verlustphase durch Rückgriff auf Reserven überbrücken könnte. Das wäre aber höchstens mit materiellen Reserven wie Öl oder anderen Rohstoffen möglich. Finanzielle/geldliche Reserven hät­ten bereits jeden Wert verloren.

Oskar Fuhlrott,