„Die Erde als Mittelpunkt der Welt”?
An die Erde als Scheibe, an deren Ende man herunterstürzen könne, mögen einige der Seeleute bei Kolumbus' Segeln über den Atlantik geglaubt haben — die gelehrte Welt einschließlich des Vatikans aber war weiter. Der griechische Gelehrte Eratosthenes fand um 220 v. Chr. einen indirekten Beweis für eine Kugelform: Im heutigen Assuan stand die Sonne am 21. Juni mittags senkrecht am Himmel, während der Obelisk in Alexandria (835 km weiter nördlich) zur genau gleichen Tageszeit einen deutlichen Schatten warf (führte zur Schätzung des Erdumfangs: für Kolumbus fast schicksalhaft zu gering). Das Kugelmodell wurde durch die Entdeckung Amerikas aber zum Allgemeinwissen in Europa.
Europäische Gelehrte beschäftigten sich intensiv mit Astronomie und entwickelten ausgeklügelte Theorien, gegründet auf Messungen und allerlei Vermutungen. Die Sphärentheorie[1] überdauerte in der Fassung von Claudius Ptolemäus 1300 Jahre: Sonne, Mond und Planeten kreisten an mindestens fünf durchsichtigen Kristallsphären über uns. Eine äußerste Sphäre trage die Fixsterne.
Die Epizykel-Theorie (→ in der Abbildung rechts) ergänzte dieses Modell, um die damals schon beobachteten „Planetenschleifen” zu erklären: Darin rotierten die Planeten mit der kleinen (roten) Kreisbahn (Epizykel) auf dem großen (grünen) Kreis (Deferent) um die Deferenzmitte neben der Erde [2].
„Die Erde bewegt sich und kreist mit den Planeten um die Sonne”
Niklas Kopernigk („Nikolaus Kopernikus”, 1473–1543) stellte nach seinen Berechnungen die Theorie auf, die Erde drehe sich samt Mond um sich selbst und umkreise dabei mit den anderen Planeten auf Kreisbahnen die „mittlere Sonne”.
Die maßgebliche Kopernikanische Schrift wurde erst in seinem Todesjahr 1543 veröffentlicht — ohne große Breitenwirkung. Es wurde auch erst 1616 auf den vatikanischen Index gesetzt. Der volle Bannstrahl traf damals Galileo Galilei (1564–1642), der seine Thesen aufgegriffen hatte. Der Vatikan wie auch alle protestantischen Anführer waren überaus empört. Galileos bisher schützender Papst Urban zögerte, musste dann aber selbst um seine Macht fürchten.
1616 befasste sich das Heilige Offizium mit Galileis Thesen, stufte sie als häretisch ein und verbot weiteren Druck und Verbreitung. Galilei musste abschwören und versprechen, die Kopernikanischen Theorien künftig weder zu lehren noch zu verteidigen.
Das Kopernikanische System war zunächst aber nicht genauer, denn „auf rein wissenschaftlicher Ebene erlaubte das über lange Zeit ausgereifte geozentrische Modell deutlich bessere Voraussagen als das zunächst noch mangelhafte heliozentrische System”[5].
Erde und Planeten bewegen sich „auf Ellipsen um die Sonne”
Johannes Kepler (1571–1630), Tycho Brahes Schüler und Nachfolger in Prag, präzisierte 1609 die Kopernikanische Theorie um zunächst zwei Gesetze:
1. Gesetz: „Jede Planetenbahn ist eine Ellipse, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht”. Diese Ellipsen weichen bei Planeten nicht stark von Kreisen ab.
2. Gesetz: „Von der Sonne zu einem Planeten gezogene Strecken überstreichen in gleichen Zeiträumen gleiche Flächen”. Es macht auch die Winkelgeschwindigkeiten in unterschiedlichen Teilen der elliptischen Bahnen anschaulich.
Beides, und dazu noch weit in die Zukunft weisende Ideen wie Sonnensysteme und bewohnte Planeten, beschrieb schon Giordano Bruno, der — nach sieben Jahren Verhör und Folter — 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde [6].
1618 fand Kepler auch noch das
3. Gesetz: „Das Verhältnis des Quadrats der Umlaufzeit T eines Planeten zur dritten Potenz der großen Halbachse d seiner Bahnellipse (T²/d³) ist für alle Planeten gleich”. Dies erlaubte nun auch die Berechnung der Entfernungen.
Die Ursache für die elliptischen Bahnen konnte erst 1687 erklärt werden durch die Gravitationslehre von Isaac Newton. Auch stellte sich heraus, dass nicht die Sonne selbst der Brennpunkt war, sondern das gemeinsame Gravitationszentrum. In den Jahrhunderten nach der „Kopernikanischen Zeitenwende” wurden die Stimmen und Schriften der Heliozentriker immer zahlreicher und haben sich heute zweifellos durchgesetzt.
Der Vatikan rehabilitierte Galilei erst am 2. November 1992. Erst 2000 stufte der päpstliche Kulturrat Giordano Brunos Hinrichtung als unrechtmäßig ein.
Oskar Fuhlrott,